Der Papst wusste schon Bescheid, wo es leckeren Stoff gibt.
So ging es von Les Baux-de-Provence also zunächst nach Avigon. Dies ist ebenfalls ein Ort voller Geschichte und mindestens einen Tagesausflug wert. Vor allem den Papstpalast sollte man mal gesehen haben. Wie bitte, Papstpalast? Im 14. Jahrhundert verlegte der Papst tatsächlich für einige Zeit seine Residenz nach Avignon. Das spürt man vor allem beim Spaziergang durch die Altstadt. Irgendwie hat sie etwas Altehrwürdiges an sich. Da mein Opa seinerzeit dort lebte und wir uns dort recht gut auskennen, war hier diesmal keine Kultur angesagt. Lieber mal schauen, ob der Papst einen guten Geschmack hatte.
Wenn man schon in der Gegend von Avignon gastiert, kommt man als Opfer guter Weine um Châteauneuf-du-Pape natürlich nicht herum. Was für ein Ort, nein besser: Juwel. Das pittoreske Dörfchen ist auf einem Hügel erbaut und komplett umschlossen von Weinreben. Solch einen Anblick gibt es nicht oft, allein die Aura lässt auf gute Tropfen schließen. Auf dem höchsten Punkt des Hügels thront eine verfallene Ruine, von welcher nur noch ein Teil der Außenmauer übrig zu sein scheint.
Da man sich als Papst auf keinen Fall lumpen lassen darf, musste neben dem kleinen Palästchen in Avignon offenbar noch was anderes her. So hatte der gute Mann dort oben seine bescheidene Sommerresidenz errichtet, woran auch heute noch auf den Flaschen erinnert wird: auf jedem Châteauneuf-du-Pape Wein sind die Insignien des Papstes in Form von gekreuzten Schlüsseln und einer Papstkrone abgebildet. Ich habe die Ruine schon einmal besichtigt, ein kurzer Marsch nach oben ist sicherlich keine verschwendete Zeit, im Gegenteil.
Mein letzter Besuch in Châteauneuf-du-Pape war 2013. Papa und ich waren gemeinsam schon einmal dort und hatten bei verschiedenen Blind-Versuchen („Sieht ganz nett aus, komm wir fahren mal da rein“) tatsächlich einen Lucky Punch gelandet, darauf waren wir diesmal allerdings nicht aus. Wir wollten mal einen der größeren Namen ausprobieren: Château La Nerthe.
Woher ich La Nerthe kannte? Vor einigen Jahren war ich bei einer Weinmesse in der BASF Weinkellerei in Ludwigshafen. Die Messe zählt übrigens zu meinen Lieblingsveranstaltungen im Weinjahr. Sehr gute Weine in entspannter, teils gelöster Atmosphäre, aber das ist jetzt nicht das Thema. Jedenfalls war La Nerthe mit einem älteren Herrn vor Ort, dem es fast schon weh zu tun schien, seine Weine aus der Hand zu geben. Ein Überzeugungstäter, der einfach liebt, was er tut.
Er hatte auch Flaschen für bis zu 70 Euronen dabei, als mittelloser Student stand das natürlich überhaupt nicht zur Disposition. Aber einer seiner Einstiegsweine hatte es mir angetan: „Reserve de Cassagne 2009“ war auch im Sortiment und er traf damals genau meinen Geschmack.
Bei Château La Nerthe angekommen, überraschte uns zunächst das übertrieben weitläufige Anwesen, welches man sonst nur von Spitzenweingütern aus Bordeaux kennt. Ok, hier riecht es nach Geld. Nach gefühlt 1km Anreise innerhalb des Grundstücks konnten wir dann auch den Parkplatz finden. Gerade noch rechtzeitig vor Ladenschluss traten wir in den Verkostungsraum ein.
Die Tonalität des „Bonjour.“ der Verkostungsdame ließ nicht darauf schließen, dass sie sich kurz vor Feierabend noch überschwänglich über Gäste freute. Was soll‘s, jetzt sind wir schon mal da, das ist schließlich ihr Job. Selten wurden wir derart maschinell abgefertigt, dass wir bloß schnell diese Hütte wieder verlassen. Dazu fehlte der Dame diese Überzeugung und Liebe zum eigenen Wein, die der ältere Herr auf der Weinmesse auszustrahlen vermochte. Wir haben alles probiert und natürlich macht La Nerthe wirklich leckere Weine, aber gekauft haben wir keinen einzigen.
Ich muss gestehen, dass ich natürlich nicht ganz frei davon bin, Sympathie in meine Weinbewertungen einfließen zu lassen, aber sowas hatte ich noch nicht erlebt. Je öfter ich in Frankreich zwecks Weinprobe durch die Gegend tingle, desto mehr fällt mir auf, dass es einen fundamentalen Unterschied zwischen „Domaine“ und „Château“ gibt. Ich hatte darüber schon mal in meinem Artikel Ein Wochenende im Burgund berichtet, muss meine These nun aber noch ein wenig erweitern. Papa und ich teilen die Meinung, dass die großen Châteaux sehr oft recht arrogant mit potentiellen Kunden umspringen, wohingegen die kleineren Domaines den Servicegedanken leben. Ich mag das total gern noch ein wenig Information drum herum zu erhalten.
Nachdem wir die erste Enttäuschung verdaut hatten, fiel uns eine kleine Domaine in unmittelbarer Nähe ein. Wir waren dort vor Jahren einmal und haben blind ein paar Flaschen gekauft, aber so richtig erinnern konnten wir uns nicht mehr. Also auf zur Domaine de la Boutinière!
Vor Ort erwartete uns ein optisches Kontrastprogramm. Das kleine Haus steht mitten in der Pampa und daneben gibt es noch eine Lagerhalle, das wars. Hier und da bröckelt ein wenig die Fassade, aber was soll‘s, es sind eben vier Wände und ein Dach über dem Kopf. Alles war stockdunkel, nur im Wohnzimmer leuchtete eine kleine Funzel. Gut, mittlerweile war es schon nach 18.30 Uhr und man durfte nicht erwarten, dass noch jemand die Tür öffnet, aber einen Versuch war es wert. Die Tür ging auf und wir wurden von einem Großmütterchen in Empfang genommen. Von ihr erfuhren wir, dass der Besitzer und Winzer, ihr Sohn, Frédéric Boutin im Skiurlaub sei und sie ganz alleine das Haus hütete. Nach ein paar Minuten des Bettelns zog sie sich murrend einen Mantel an und führte uns in den Weinkeller.
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Autor: Alex
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